LADISLAV HEJDÁNEK ARCHIVES | Cardfile

Here you will find a digitized image of Hejdánek's original filing cabinet. Its total volume is many thousand tickets. We publish them in parts as we handle them. At the moment we have worked out what prof. Hejdánek himself developed electronically. However, much work remains on paper cards. In addition to Hejdánek's extracts from reading, the filing cabinet also includes his own thought work from recent years, which cannot be found elsewhere.


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records: 18

Pravda

Søren Kierkegaard (1844)
Wieweit kann die Wahrheit gelehrt werden? Mit dieser Frage wollen wir beginnen. Dies war eine sokratische Frage oder wurde es durch die sokratische Frage: Wieweit kann die Tugend gelehrt werden? Denn die Tugend wird ja wiederum als Einsicht bestimmt (vgl. Protagoras, Gorgias, Meno, Euthydem). Insofern die Wahrheit gelehrt werden soll, muß sie ja als nichtseiend vorausgesetzt werden, also indem sie gelehrt werden soll, wird sie gesucht. Hier begegnet nun die Schwierigkeit, auf die Sokrates im Meno (§ 80 Schluß) als auf einen „streitlustigen Satz“ aufmerksam macht, daß ein Mensch unmöglich suchen kann, was er weiß, und ebesno unmöglich suchen kann, was er nicht weiß; denn was er weiß, kann er nicht suchen, da er es weiß, und was er nicht weiß, kann er nicht suchen, denn er weiß ja nicht, was er suchen soll. Die Schwierigkeit löst Sokrates denkend dadurch, daß alles Lernen und suchen nur ein Erinnern ist, so daß der Unwissende bloß erinnert zu werden braucht, um sich von selbst darauf zu besinnen, was er weiß. Die Wahrheit wird also nicht in ihn hineingebracht, sondern war in ihm. Diesen Gedanken führt Sokrates weiter aus, und in ihm konzentriert sich eigentlich das griechische Pathos, da er ein Beweis für die Unsterblichkeit der Seele wird, wohlgemerkt retrograd, oder ein Beweis für die Präexistenz der Seele.
(6926, Philosophische Brocken, tr. L.Richter, Frankfurt a.M. 1984, S. 12.)
date of origin: leden 2000

Pravda

Søren Kierkegaard (1844)
Wir fangen an mit der sokratischen Schwierigkeit, wie man die Wahrheit suchen kann, da das ja ebenso unmöglich ist, wenn man sie hat, wie wenn man sie nicht hat. Das sokratische Denken hob eigentlich die Disjunktion [Haben oder Nichthaben] auf, da es sich erwies, daß im Grunde jeder Mensch die Wahrheit hat. Dies war seine Erklärung. Wir haben gesehen, was hieraus hinsichtlich das Augenblicks folgte. Soll dieser nun entscheidende Bedeutung erhalten, dann muß der Suchende genau bis zu diesem Augenblick die Wahrheit nicht gehabt haben, auch nicht in Form der Unwissenheit, denn dann wird der Augenblick nur ein solcher der Veranlassung. Ja, er darf nicht einmal der Suchende sein, denn auf diese Weise müssen wir die Schwierigkeit ausdrücken, wenn wir sie nicht sokratisch erklären wollen. Also muß er bestimmt sein als außerhalb der Wahrheit befindlich (nicht zu ihr kommend wie ein Proselyt, sondern von ihr weggehend) oder als die Unwahrheit. Er ist also die Unwahrheit. Aber auf welche Weise soll man ihn nun erinnern, oder was wird es ihm helfen, ihn daran zu erinnern, was er nicht gewußt hat, worauf er sich also auch nicht besinnen kann?
(6926, Philosophische Brocken, tr. L.Richter, Frankfurt a.M. 1984, S. 16.)
date of origin: leden 2000

Pravda - pojem

(1954)
Es scheint mir, daß der Physiker, der durch die Quantenmechanik zum Zweifel gerade na der klassischen Ontologie veranlaßt ist, diesen Überlegungen Pichts nur zustimmen kann. Doch stellt sich nun scheinbar das Problem, daß ein Denken, welches über die klassische Ontologie hinausgeht, nicht mehr im bisherigen Sinn des Worts „logisches Denken“ sein könne. Dieser Einwand ist freilich in erster Näherung schon durch die Ablehnung der These, Logik sei Wissenschaft vom Denken, beantwortet. Diese nur negative Antwort fordert aber eine positive Weiterführung heraus. Es muß dann möglich sein, auch auszusprechen, inwiefern Erkenntnis möglich ist, die sich nicht im Rahmen der klassischen Logik hält. Es muß mit anderen Worten möglich sein, einen weiteren Begriff von Wahrheit zu gebrauchen als die klassische Logik. Wer an das Denken der exakten Naturwissenschaft gewöhnt ist, wird hier alsbald fragen, ob damit nur eine Ersetzung der traditionellen, formalen Logik durch eine anders strukturierte, aber ebenfalls formalisierbare Logik gemeint sei oder ein Denken, das grundsätzlich nicht formalisiert werden kann. Da die Quantenmechanik eine mathematisch formulierte Theorie ist, legt sie die erste dieser beiden Interpretationen nahe, während die Pichtsche Arbeit sich Bereichen der Wahrheit zuwendet, für welche die zweite Vermutung sich Aufdrängt. Insofern bleibt die Frage der Pichtschen Arbeit selbst unentschieden, ob die Quantenmechanik ein Beispiel für die von ihm betrachtete Erweiterung des Wahr/275/heitsbegriffes ist. Wir werden diese Frage hier nicht lösen können und folgen dem Gedankengang Pichts. (Die Bedeutung der Logik für die Naturwissenschaft, in: 2612, Zum Weltbild der Physik, Stuttgart 81960, S. 274-5.)
date of origin: únor 2000

Pravda - pojem

(1954)
Das Wesentliche der von Picht versuchten Erweiterung des Wahrheitsbegriffes liegt m.E. darin, daß sie den Kontakt mit der Logik solange wie möglich hält. An sich ist in der Philosophie unserer Tage, zumal unter dem Einfluß Heideggers, der Gedanke galäufig, daß die Einschränkung des Wahrheitsbegriffs auf die Wahrheit von Sätzen dem ursprünglichen Wesen der Wahrheit Gewalt antue. Picht gehört zu der Generation, die durch die Schule des Heideggerschen Denkens hindurchgegangen ist. Wird aber Wahrheit von vornherein so umfassend gedacht, wie es in der Heideggerschen Übersetzung von ALÉTHEIA durch Unverborgenheit geschieht, so wird gerade das zum Problem, was vorher selbstverständlich schien, inwiefern nämlich Wissenschaft, die den Regeln der klassischen Logik genügt und in Urteilen denkt, Wahrheit enthalten kann. Um den umfassenderen Begriff von Wahrheit zunächst einmal wieder ins Bewußtsein zu bringen, mag es genügen, ihn von dem logischen Begriff der Wahrheit als von einem Mißverständnis des Wesens der Wahrheit abzusetzen. Dabei kann man aber nicht stehenbleiben, sondern es entsteht die /276/ sehr viel schwerere Aufgabe, positiv zu zeigen, welchen Ort im Bereich der eigentlichen Wahrheit denn nun die wissenschaftliche Wahrheit einnimmt. Dies ist die Aufgabe, zu deren Lösung Picht seinen Beitrag geben will. (Die Bedeutung der Logik für die Naturwissenschaft, in: 2612, Zum Weltbild der Physik, Stuttgart 81960, S. 275-6.)
date of origin: únor 2000

Pravda – a dějiny | Dějiny – filosofie dějin

Gerhard Krüger (1949)
So ist und bleibt die Geschichte unser größtes Problem. Wir können nicht umhin, nach ihrem Sinn und Wesen zu fragen, solange wir überhaupt als Menschen existieren. Das hat die Philosophie der Existenz aus der Not heraus mit absoluter Klarheit erkannt und bestätigt. Der Verzicht auf Sinn wäre das Ende: Selbstmord oder Wahnsinn, und selbst das wäre nur mit Fragmenten von Sinn, also in einer sinnlosen Halbheit möglich. Wenn also die Behauptung von Sinn in Geschichte und Gegenwart nur .in der Weise möglich ist, daß. wir im Stande .einer metaphysischen Notwehr verharren, wenn wir also Sinn nur behaupten, obwohl es an sich vielleicht gar keinen gibt, dann entsteht die Frage, ob das Denken der Zukunft nicht einen ga»z anderen Weg einschlagen muß als den, der uns in die ausweglose Enge der Gegenwart hineingeführt hat.
Aber gibt es für das Denken als solches überhaupt einen anderen Weg? Oder zeigt uns dieses dunkelste Problem, daß wir tost glauben müssen? Es geht ja offenbar wirklich über unseren menschlichen Horizont, zu begreifen, was Geschichte eigentlich ist. Unser eigenes Dasein ist in seinem beständigen Scheitern so rätselhaft, daß wir die Lösung vielleicht wirklich, von der anderen Seite, nämlich von der undurchschaubaren Übermacht erwarten müssen, die uns unsere Begriffe immer wieder zerschlägt Und ist nicht eben dies die Behauptung eines Glaubens, der trotz alles Nihilismus immer noch unter uns lebendig ist? Sagt nicht der cbristlicht Glaubt, wir seien irrende, von Gott geschlagene „Sünder, und ruft er uns nicht von unserem eigenmächtigen Denken fort zu einer Offenbarung, in der Gott selbst uns die befreiende Wahrheit sagt? -Wer im Denken der Gegenwart steht, wird nicht leugnen können, daß das Christentum eine sehr ernst zu nehmende Antwort auf unsere grüßte Frage gibt. Diese Antwort könnte sich als die Wahrheit – die definitive Wahrheit – bewähren, wenn man sie glaubt.
(Die Geschichte im Denken der Gegenwart, in: Große Geschichtsdenker, Tübingen 1949, S. 243-44.)
date of origin: květen 2003