Sborník Evropská identita
raw | digitized ◆ miscellaneous, German, origin: prosinec 1984

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Frank Herterich Sömmeringstr. 29 D-6000 Frankfurt 1 Tel: 069/559666 Christian Semler Bachstr. 31 D-5000 Köln 80 0221/629644 23. Dezember 1984 Sehr geehrter Herr Hejdanek, wir möchten Sie gerne an unser Gespräch von Anfang Mai 1984 erinnern und Sie nun definitiv zur Mitarbeit an dem von uns im Frankfurter Suhrkamp-verlag projektierten Band einladen. Das Exposé in seiner jüngsten Fassung liegt diesem Schreiben bei. Gegenstand dieses Buchprojektes soll eine Sammlung von Beiträgen ost-und westeuropäischer Intellektueller zum Thema "Europäische Identität" sein. Dabei geht es uns vor allem darum, der Frage nachzugehen, ob sich heute aus der Geschichte Europas und seines Entwicklungsweges noch Kraft für emanzipatorisches Denken und Handeln gewinnen läßt. Als Ost-West-Diskussionsband ist dieses Projekt deshalb konzipiert, weil die Blockteilung Europas den für die Entwicklung des europäischen Denkens so fruchtbaren Zusammenhang der ost- und mittelosteuropäischen Kulturen mit denen des Westens zerrissen hat, weil durch diesen Riß gegenseitige Erfahrungen nicht mehr verarbeitet wurden und weil schließlich auf diesem Boden wechselweise Denkblockaden entstanden sind. In unserem Exposé haben wir versucht, die Identitätsproblematik so anzugehen, daß wir ihre verschiedenen Ebenen, die individuelle, die von Gesellschaft und Nation und die der "Gattung" innerhalb konkreter politischer Auseinandersetzungen angesiedelt haben. Milan Kunderas Aufsatz "Un occident kidnappé" - wir legen ihn in der Anlage bei schien uns - natürlich auch wegen der Radikalität seiner These - ein sinnvoller Anstoß für weitere Überlegungen.

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- 2 Bei den Beiträgen denken wir an kurze Essays von 10 bis maximal 15 Schreibmaschinenseiten Länge. Als Termin für die Manuskriptvorlage haben wir den 31.3.85 ins Auge gefasst. Für die Zumutung dieser recht kurzen Zeitspanne möchten wir von vorneherein um Entschuldigung und Verständnis bitten. Andererseits, gelänge es, sie zu realisieren, könnte das Buch Ende 1985 erscheinen. Bislang wurde das Projekt von uns anlässlich zweier Reisen nach Ostmitteleuropa in Warschau, Prag und Budapest mit einer Reihe von demokratischen Intellektuellen diskutiert. Wir stießen dabei auf einiges Interesse, sowie die prinzipielle Bereitschaft zur Mitarbeit. Zu Ihrer Information legen wir eine Liste der ins Auge gefassten Autoren bei. Sie können aus ihr auch entnehmen, wer im Gespräch bereits sein dezidiertes Interesse zur Mitarbeit bekundet hat, und wer gegenwärtig durch Anschreiben um einen Beitrag gebeten wird. Zu uns als Herausgebern: Frank Herterich, Soziologe, in den letzten Jahren für die "blockübergreifende" Friedensbewegung aktiv, unter anderem im Sekretariat der 2. Konferenz über europäische atomare Abrüstung die im Mai 1983 in Westberlin stattfand. Christian Semler, Jurist und Publizist, arbeitet seit einigen Jahren über demokratische Bewegungen in Mittelost- und Osteuropa. U. a. war er einer der Herausgeber der "Solidarnosc"-Dokumentation, die 1983 beim gewerkschaftsnahen Bund-Verlag in Köln erschienen ist. Wir denken, daß die politische Bedeutung des von uns projektierten Bandes evident ist. Wir bitten Sie deshalb, trotz Ihres sicher gedrängten Terminplanes, unseren Vorschlag wohlwollend zu prüfen. Mit der Bitte um baldige Antwort und mit herzlichen Grüßen

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Liste der für den Band Uber "Europäische Identität" vorgesehenen Autoren: (1) = bereits kontaktiert, sowie Interesse bekundet und Bereitschaft zur Mitarbeit; (2) = werden gegenwärtig angeschrieben bzw. kontaktiert. (Stand: Dez. 84) Polen Bronislaw Geremek (1) Marcin Krol (1) Jan Josef Lipski (1) Jan Strzelecki (1) CSSR Jadwiga Staniszkis (1) Vaclav Havel (2) Ladislaus Hejdanek (1) Karel Kosik (2) Jaroslav Sabata (1) Ludvik Vaculik (1) Ungarn György Bence (1) György Konrad (1) Michail Vojda (Man. liegt vor) DDR Christa Wolf (2) Edelbert Richter (2) Exil (DDR) Jürgen Fuchs (2) Wolfgang Seiffert (2) (SU) Ephraim Etkin (2) Michail Heller (2) Lew Kopelew (2) CSSR Milan Kundera (2) Jugoslawien Leo Mathes (2) Österreich Günther Nenning (1) Italien Rossanna Rossanda (2) Spanien Fernando Claudin (2) Frankreich André Gorz (2) J. M. Thibault (2) England E. P. Thompson (2) Norwegen Johann Galtung (2) USA Andrew Arato (2) BRD Rudolf Augstein (2) Karl Heinz Bohrer (2) Jürgen Habermas (2) Oskar Negt (2) Ernst Tugendhat (2)

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-2Expose zu einem west-östlichen Diskussionsband zur Frage der europäischen Identität. Fassung Oktober 84 1. " Europäisierung Europas " - dieses Schlagwort bewegt in der augenblicklichen politischen Situation, zumal der friedenspolitischen, die Gemüter. Die einen begegnen ihm mit unverholener Ablehnung. Sie wähnen ein Mehr von jenem Gleichen, das ihnen schon in seiner jetzigen Dimension zuwider ist: Mehr Nationalismus, mehr Kapitalismus, mehr Großstrukturen und Staatkurz, sie argwöhnen die dritte Supermacht. Die anderen befrachten dieses Stichwort mit Hoffnungen auf einen Ausbruch aus der gegenwärtigen, kriegsträchtigen Situation und auf weitere Möglichkeiten, die europäischen Angelegenheiten eigenständig und losgelöst von den Imperativen der Weltmächte und in Frieden und Freiheit zu gestalten. Sie erhoffen sich den Abbau einer " Selbstentfremdung " Europas, die ihm durch die auẞereuropäischen Weltmächte oktroviert sei. vielerlei Mutmaßungen werden auch angestellt über Realisierbarkeit und Effekte dessen, was " Europäisierung Europas " genannt werden könnte.Ist es nur Wolkenschieberei, gar die Lunte am Pulverfass oder kann es der Königsweg werden aus dem Dickicht der ineinander verflochtenen Krisen von Kriegsgefahr, Herrschaft, Naturzerstörung sowie wirtschaftlichem, sozialen und kulturellen Niedergang ? All diese, mehr auf der unmittelbaren politischen Ebene angesiedelten Fragen sollten - obwohl wichtig in dem hier projektierten Diskussionsband nur indirekt thematisiert werden. Die Autoren sollten sich vielmehr mit einem Problemkreis beschäftigen, der, obschon von einiger Bedeutung für die aktuellen politischen Fragen, gleichwohl " darunter " liegt, vielleicht sogar ihren Kern ausmacht und noch vergleichsweise wenig erörtert worde ist, am wenigsten zwischen Ost und Westeuropäern. 2. Es handelt sich um die Frage nach der europäischen Identität, danach, was Europa in der Vergangenheit ausmachte und worauf es sich in Zukunft gründen könnte. Dabei wäre die paradoxe Situation zu bedenken, daß, während das europäische Modell der Zivilisation seinen weltweiten Siegeszug vollendet,in Europa selbst die Grundlagen dieses Modells in den Augen vieler Menschen in ihre tiefste Krise geraten sind. Zweifellos wäre es ein trostloses, Unterfangen, wollte man sich angesichts der Erfahrungen dieses Jahrhunderts daran machen, eine Kollektion " europäischer Werte " zusammenzustellen. Dennoch stellt sich die Frage: Enthält die Geschichte Europas eine Substanz, auf di4 sich West und Osteuropäer im Hinblick auf eine emanzipatorische Perspektive noch beziehen könnten ? Oder ist diese Substanz ausgezehrt? Denn möglicherweise ist es ja nicht nur ein in den Resultaten des zweiten Weltkrieges wurzelndes Mißgeschick, das Europa zur Manövriermasse, bis hin zum prospektiven Schlachtfeld zwischen den Supermächten gemacht hat. Vieleicht ist es ja die ganze neuzeitliche europäische Geschichte, deren Logik sich darin erfüllt, dsß dieser Kontinent, seine Gesellschaften, Kulturen und Menschen zwischen zwei Weltmächten zerrieben wird, Weltmächten, die nur noch bedingt dem europäischen politischer Zusammenhang zuzurechnen sind, deren Zukunftsperspektive jedenfalls nicht mehr Europa zum Gravitationsfeld zu haben scheinen. Johann Galtung spricht von einer Verlagerung dieses Gravitationsfeldes in den pazifischen Raum ( Genscher, Außenminister der BRD, steuerte dazu ein Schlagwort bei: die pazifische Herausforderung ). Vom osteuropäischen Blickwinkel aus spricht der polnische Schriftsteller Jan Josef Lipski von der drohenden "Asiatisierung " Europas. Hat Europa also seine Geschichte schon gehabt und verspielt, ist es ein moribunder Kontinent, der nichts mehr zu melden hat ? Schluß der Vorstellung ?Wir möchten mit dieser Fragestellung nicht nur zu einer geschichtsphilosophischen Reflexion anregen, so überraschende und fruchtbare Resultate auch ein Denken haben kann, das sich auf den Zusammenhang und die Aufeinanderfolge der Weltmächte und Weltkulturen einlässt. Es geht um die Frage, ob aus der europäischen Geschichte noch Lehren zu ziehen sind, die für eine Praxis der Autonomie und Emanzipation Lebenskraft entwickeln könnten. " Nicht um die Konservierung der Vergangenheit sondern um die Einlösung der vergangenen Hoffnung ist es zu tun " ( Horkheimer / Adorno ).

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-34 Daß wir zur " europäischen Identität " eine Ost-West-Diskussion führen wollen, mag auf den ersten Blick wenig aussichtsreich erscheinen. Ist doch als eine der Konsequenzen der europäischen Spaltung in der Folge von Jalta der Diskussionzusammenhang zwischen den intelektuellen Milieus und " Szenen " der beiden Hälften Europas scheinbar irreparabel zerrissen. Man denke nur daran, daß Husserl die Thesen seiner " Krisis ", die vom ungebrochenen Sendungsbewußtsein des " europäischen Geistes " zeugen. als Vorträge in Wien und in Prag gehalten hat, um den Abstand zur heutigen Lage ganz zu ermessen. György Konrad spricht von der einseitigen Liebe der Osteuropäer für den Westen, davon, daß Osteuropa für die Mehrheit der westlichen Intelektuellen "irgendwie grau sei"," ästhetisch nicht so appetitlich" und " nicht in Mode". Uninteressiertheit, aber auch unterschiedliche Erfahrungen - verarbeitete und unverarbeitete begründen Unverständnis und Mißverständnisse zwischen Ost und Westeuropäern.So kann man annehmen, da? mit dem Scheitern der osteuropäischen Reformkonzepte der Jahre 1956 bis 1968 der Zusammenhang gerissen ist, der ursprünglich zwischen den osteuropäischen "Revisionisten" und der westlichen Linken bestanden hat. Festzumachen wäre dieser Bruch etwa an der Kontroverse zwischen L.Kolakowski und E.P.Thompson zu Beginn der /oer Jahre. Auf politischer Ebene wurde dieser Riß manifest in der Unfähigkeit der westlichen Linken, der polnischenrevolutionären Bewegung von 1980/81 gerecht zu werden, wie in der Unfähigkeit der meisten osteuropäischen In lektuellen, die westliche Friedens bewegung, insbesondere die in der BRD zu verstehen. Wenn wir dennoch eine Ost-West-Diskussion zurFrage der europäischen Identität vorschlagen, dann wegen der Überzeugung, daß ein derartiger Dialog katalysatorisch wirken könnte - auch " bei uns ".Milan Kundera hat in seinem " Un occident kidnappe" dem Westen die Fähigkeit abgesprochen, die Frage der Identität ostmitteleuropäischer Staaten auch nur zu verstehen; den Wunsch der Menschen dieser Region auch nur zu begreifen, "Europäer" zu sein. Nicht wenige Intelektuelle im östlichen Europa sind heute der Auffassung, daß die von der Sowjetunion angestossenen und kontrollierten Umwälzungen in Mittelost und Osteuropa nach dem zweiten Weltkrieg durch und durch irrationale Gesellschaftsordnungen hervorgebracht haben, daß die Sowjetunion heute zu der Bastion der Gegenaufklärung geworden ist. Sie sehen in der Sowjetunion die Verneinung des europäischen Entwicklungsweges, der "Moderne". Sie glauben - und tun dies oft genug mit prophetischer Geste kund - daß das Schicksal ihrer Länder sich als Menetekel für das westliche Europa erweisen könnte. Ihr "Thema" ist die Freiheit des Einzelnen wie der der Nationen. Auf der Seite westlicher Intelektueller ist es heute ein Gemeinplatz zur Schilderung der Situation, daß die höchste Entfaltung des Rationalen in Technik und Naturbeherrschung in vollständigen Irrationalismus - die drohende Auslöschung alles Lebens auf der Erde - umzuschlagen droht. Dabei gelten vielen kritischen Geistern im Westen die USA als der Inbegriff der Widersprüche " abendländischer Rationalisierung ". Gemeint sind hier nicht die Propagandisten eines törichten Antiamerikanismus, die Rede ist von Autoren wie Gorz, für die die USA dor Vorreiter einer Entwicklung sind, innerhalb derer der Kapitalismus seine produktiven Funktionen zunehmend einbüßt, während er als Herrschafts- und Kontrollsystem über die Gesellschaft fortbesteht. Die Industrialisierung der Informatik und ihr Einsatz für Massenvernichtungswaffen und soziale Kontrolle - dies der fortgeschrittensite Sektor des USA-Kapitalismus - erscheint ihnen als höhnisches Echo auf die optimistische Vision vom Siegeszug der Wissenschaften, die den europäischen Entwicklungsweg von der Neuzeit an geprägt hat. Im Westen ist die Kritik am Eurozentrismus mittlerweile aus der Mode gekommen. Enzensbergers Gesellschaftsspiel, bei der in der Runde linker Westdeutscher eine Liste bewohnbarer Staaten angefertigt werden soll, ist von seinem europäischen Ergebnis her realistisch. Man schätzt die Annehmlichkeiten einer Zivilisation, in der die noch funktionierenden Elemente des Wohlfahrtsstaates gegen die sozialdarwinistischen USA ebenso gekehrt werden wie die noch existierenden Bürgerrechte gegen den in der Sowjetunion allgegenwärtigen Polizeistaat. Die in Westeuropa entstandenen Massenbewegungen gegen die atomare Vernichtungsdrohung und gegen die Umweltzerstörung haben - manchen Oberflächenerscheinungen zum Trotz - in ihren " Verkehrsformen " ein starkes

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on, s nd s -5-62X 84 demokratisches Potential. Ihr zentrales "Thema" ist aber nicht das der Treiheit sondern eben die Vernichtungsdrohung. A.Heller und F.Feher haben diesen Gegensatz in der These zusammengefaßt, es stünden sich in Ost und Westeuropa zwei unterschiedliche Mythologien gegenüber: die des drohenden " doomsday " im Westen und die der " ewigen Wiederkehr des Gleichen " im Osten. Unsere Hoffnung besteht nun darin, daß der von uns projektierte Diskussionsband dazu beitragen kann, eine Situation zu überwinden, in der Vorwurfshaltungen und Blockaden gemeinsames Denken und Handeln verhindern. 2. Im Rahmen der von uns skizzierten Problematik möchten wir für die Diskussion einige Themen hervorheben - die alte europäische Frage, wie individuelle Autonomie, wie "Identität" begründet und in welchen gesellschaftlich-politischen Zusammenhängen sie sich entfalten kann, stellt sich heute in beiden Teilen Europas neu. Im Osten spielt der Gedanke der individucilen Verantwortung eine große Rolle. Es geht darum, aus dem individuellen Gewissensentscheid Kraft für autonomes Handeln gegenüber einer Staatsmacht zu gewinnen, die als organisierte Verantwortungslosigkeit empfunden wird. V.Havel schreibt. "Ich diene Niemandem, umso weniger irgendeiner Macht. Wenn ich mich etwas unterwerfe, dann meinem Gewissen." Im Westen ist der Rekurs auf individuelle Gewissensentscheidungen angesichts einer Politik, die das Leben zukünftiger Generationen mit unumkehrbaren Entscheidungen belastet, ja sogar die Vernichtung alles Lebens auf der Erde einkalkuliert, in der ökologischen und Friedensbrwegung ein Massenphänomen. In der Berufung auf den Gewissensentscheid kommt eine prinzipielle Kritik an den bestehensen Formen politischer Willensbildung, ja des Politischen überhaupt zum Ausdruck.Freilich mit dem Unterschied, daß in Osteuropa die politischen Strukturen und die mit ihnen verbundenen Ausdrucksmöglichkeiten ganz offen von den Oligarchien usurpiert sind, während im Westen die manipulierten Formen politischer Repräsentation zunehmend dem Verdikt verfallen, die Erfahrungen und Bedürfnisse der Menschen nicht mehr ausdrücken zu können. Ist die Politik " aus dem Gewissen heraus " in Gefahr, Politik auf der Ebene der gesamten Gesellschaft unmöglich zu machen, die Betroffenheit zum Kult zu erheben und die eigene, betroffene Gruppe zum Souverän ? Oder bildet sich gegen die toten politischen Strukturen im Osten wie gegen die zunehmend legitimationslosen im Westen eine neue "unpolitische Politik " heraus ? - die Vorstellung europäischer Identität ist im neuzeitlichen Europa eng mit dem Problem nationaler Identität verbunden. Für viele Intelektuelle im sowjetischen Hegemonialbereich ist nationale Identität heute der Inbegriff einer in den Menschen verwurzelten materiellen Kultur, die die Rechts wie die politische Kultur einschliesst und die es gegen die " Sowjetisierung " zu verteidigen gilt. Der europäische Charakter solcher Identität wurde schon anlässlich der Staatengründungen in Ostmitteleuropa nach dem ersten Weltkrieg thematisiert, als z. B. der tschechische Nationalstaat als Ausdruck eines universell wirksamen Prinzips, des der Demokratie, mrstanden wurde ( Masaryk ). Im Westen ist auf der Ebene der Lebenshaltungen und Erwartungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG) ein Angleichungsprozess spürbar, dessen wesentliche Ursache die kapitalistische Prosperität ist. Sie gegenüber möglichen Konvulsionen in Osteuropa wie gegenüber Ansprüchen der dritten Welt zu verteidigen, macht weitgehend das Europäertum im Westen aus. Das in den unterschiedlichen Entwicklung egen der westlichen Nationalstaaten noch wirksame progressive Erbe - die " civil society " mit ihrer Öffentlichkeit und ihren demokratischen Institutionen, die politische Kultur des Volkes bzw. der Arbeiterbewegungen kann sich unter solchen Bedingungen nur schwer artikulieren. Die Suche nach " vernünftiger Identität " in Westeuropa greift zwar den Gedanken der " civil society " und einer basis demokratisch verstandenen Öffentlichkeit wieder auf und richtet ihn gegen die monopolistische, zentralisierte Macht. Aber oft genug wendet sich eine solche Suche regionalen Zusammenhängen oder Minderheiten 8

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- 7 zu,wo nicht überhaupt die überschaubare Einheit einer Gruppe zum alleinigen Bezugspunkt gemacht werden. Ist es heute illusorisch anzunehmen, komplexe Gebilde wie nationalstaatlich organisierte Gesellschaften oder gar Staatengemeinschaften könnten eine vernünftige Identität herausbilden ? Jagen die Osteuropäer Mythen nach? Wenn nein, was könnte unter nationaler Identität als zugleich europäischer verstanden werden? die im Verhältnis von Individuen, civil society, Staat und Staatengemeinschaft manifeste Identitätsproblematik konzentriert sich in einer brennend aktuellen Fragestellung : welche Bedeutung kann Europa, kann " europäische Identität " für die Verhinderung des atomaren Holocaust gewinnen? Wie verhält sich der Kampf für den Frieden zu den Freiheitsbestrebungen der Völker im Osten ? Schließt gegenwärtig eine Friedensordnung die Freiheit der Menschen und Völker in Ost- und Catmitteleuropa aus ? Gilt noch die traditionelleuropäische balance-of-power? Trägt ein Denken, das sich von einer neuen Entspannungspolitik eine langfristige und graduelle Zunahme der Freiheitsräume in Osteuropa verspricht, den Realitäten Rechnung ? Kann es europäische Friedenspolitik als gesellschaftliche Bewegung " von unten " geben? Wenn ja, wie wäre dann das Verhältnis einer solchen autonomen Politik zur Politik auf staatlicher Ebene zu denken ? Oder sind solche Überlegungen angesichts einer Fortgeschrittenen Tendenz zum " Exterminismus " bereits obsolet ? Welche Sicht und Handlungsweise würde sich uns Europäern dann auf drängen ? "U S pu S